Ich lebe jetzt schon eine ganze Weile in Berlin und freue mich immer über jeden Besuch aus nah und fern, den es zu mir in die Hauptstadt verschlägt. Jeder ist anders, jeder hat andere Interessen und Vorlieben. Sehr einfach ist es natürlich immer, mit jenen die zum ersten Mal zu Besuch in Berlin sind. Da gibt es natürliche bestimmte Orte, die unbedingt gesehen werden wollen. Das kombiniere ich dann gewöhnlich mit den individuellen Interessen des Einzelnen.
Neulich hatte ich aber Besuch von einem ganz besonderen Mann: meinem kleinen Bruder. Wir hatten uns durch verschiedene Umstände und meine vielen Reisen ein ganzes Jahr nicht gesehen und so war dieser Besuch in Berlin längst überfällig. Die große Preisfrage war, was sollten wir unternehmen? Wir sind in Brandenburg aufgewachsen. Berlin kennen wir seit unserer Kindheit, als die Stadt noch geteilt war. Mit der ganzen Familie sind wir im Dezember 1989 zum ersten Mal über den Ku’Damm geschlendert. In der Spielwarenabteilung des KaDeWe durften wir jeder ein “Westspielzeug” aussuchen. Ja, so hieß das damals wirklich.
Seitdem war er natürlich schon unzählige Male in Berlin gewesen. Alle meine Touren die ich sonst für Einsteiger und Fortgeschrittene anbiete fielen flach. Das Wetter war eher durchwachsen, alle Hoffnungen an einen Trip ins Grüne konnten wir abhacken. Das Schöne an Familie ist, man kennt sich ziemlich gut. Ein Museum brauchte ich auch nicht vorschlagen. Aber halt! Vielleicht doch?
Die drei Kandidaten
Berlin ist reich an Geschichte, da lernt man nie aus. Ein herkömmliches Museum kam nicht in Frage, aber warum nicht einen historischen Ort besuchen? Das Stasi Museum in der Normanenstraße, das Stasigefängnis in Hohenschönhausen oder eine Tour in die Berliner Unterwelten waren die drei Kandidaten in der engeren Wahl. Alle drei Orte hatte ich selbst schon besucht und fand sie jeweils sehr bewegend und sehenswert.
- Stasi-Museum in der Normanenstraße
- Gedenkstätte Hohenschönhausen (Stasigefängnis)
- Berliner Unterwelten
Unsere Wahl fiel am Ende auf die Gedenkstätte Hohenschönhausen.
Gedenkstätte Hohenschönhausen
Bereits auf dem Weg dorthin fällt uns auf, dass die Anlage inmitten einer Siedlung von Einfamilienhäusern liegt. Irgendwie seltsam, wenn man die Nutzung als Geheimgefängnis bedenkt. Später erfahren wir Näheres dazu.
Es ist ein ganz gewöhnlicher Wochentag, aber die Gedenkstätte scheint recht gut besucht. Viele Schulklassen sind auf dem Gelände unterwegs. Es gibt ausschliesslich geführte Touren durch die verschieden Gefängnisgebäude, wir buchen die Nächste. Einige der Guides sind ehemalige Häftlinge, unser Guide ist Historiker. Vor einigen Jahren war ich schon einmal hier. Damals mit internationalem Besuch und deshalb einer englischsprachigen Tour. Vergleiche ich beide Touren waren sie sehr unterschiedlich, aber nicht minder spannend. Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Tour mit einem ehemalige Häftling wieder eine andere Erfahrung ist. Der Unterschied zwischen der englischsprachigen und der deutschen macht sich vor allen in der Ausführung der Details bemerkbar. Klar sind die deutschen Teilnehmer wesentlich besser mit der eigenen Geschichte vertraut und es werden viel konkretere Fragen gestellt. Unserer Guide weiß auf Fragen einzugehen. Gekonnt antwortet er mit Beispielen, Zeugenberichten oder Dokumenten und beschreibt Hintergründe sehr bildlich.
Touren: jede volle Stunde / 6€ pro Person (Update: 2017 )
Wir sehen den alten Gefängnistrakt, der von den russischen Besatzern nach 1945 genutzt wurde. Dort wurden bereits junge Leute ab 13 Jahren inhaftiert. Einige dieser jungen Häftlinge konnten in den Neunzigern von ihren Erlebnissen berichten. Basierend auf diesen Beschreibungen wurdenRäumlichkeiten und Geschehnisse rekonstruiert. Oft erfuhren sie nie, warum sie eigentlich einsaßen. Trotz vieler sehr tragischer menschlicher Schicksale, war die Tour einfach sehr interessant. Es wurden Fragen aufgeworfen, andere beantwortet.
Die Ausstellung
Sehr empfehlenswert ist auch die Ausstellung, die man nach der geführten Tour auf eigene Faust erkunden kann. Ein Besuch der Ausstellung ist unabhängig von einer Tour und kostenlos.
Standort Stasi Gefängnis
Die Lage bzw. die Existenz dieses Gefängnisses war laut unserem Historiker geheim. Gefangenentransporte fuhren mit den Gefangenen oft Stundenlang durch die Gegend, um einen Orientierungsverlust zu bewirken. Äusserlich waren die Fahrzeuge typische Gefährte dieser Zeit (Barkas 1000), die häufig mit Schildern wie frisches Obst oder ähnlichem getarnt waren. Unmittelbar um das Gefängnis herum wohnten nur Mitarbeiter der Staatssicherheit. Ein großer Wohnklotz mit Büros derselbigen verdeckte komplett eine ganze Seite des Traktes.
Heute gelangt man mit den öffentlichen Verkehrsmittel zum Beispiel vom S-Bahnhof Alexanderplatz mit der Tram M6 in knapp 20 Minuten zur Haltestelle Arendsweg. Von dort sind es dann gemütliche 10 Minuten zu Fuss.
Mir führte es einmal mehr vor Augen, wie glücklich ich sein kann in Freiheit zu leben. Reisen zu können wohin ich will. Ab und zu erinnere ich mich an diesen einen Moment mit süßen 20 Jahren zurück: Meine Mom verabschiedete mich mit Tränen in den Augen, weil ich aufbrach für ein Jahr in den USA zu leben. Nie hätten meine Eltern sich das bei meiner Geburt träumen lassen!
Auch wieder einmal mehr der Beweis, dass Träume gar nicht groß genug sein können. Egal wie unmöglich sie im Moment zu sein scheinen.
Einen thematisch passenden und emotionalen Abschluss unserer Geschichtsstunde bildete der Musical-Besuch “Hinterm Horizont” mit unseren Eltern.
Warst Du schon einmal in der Gedenkstätte Hohenschönhausen oder im Stasi Museum? Wie waren Deine Eindrücke? Was sind Deine Berlin Tipps, für Fortgeschrittene?
0 Kommentare
Ich war vor Ewigkeiten mal in den Unterwelten unterwegs, aber nach Hohenschönhausen hab ich mich noch nicht getraut. Sieht aber spannend aus! Nächstes Mal komme ich einfach mit. 😉
Ja, unbedingt. Lohnt sich definitiv und ist ja gleich um die Ecke!
Leider war ich selbst auch noch nicht dort. Das muss ich unbedingt ändern, ansonsten sag Bescheid, wenn du erneut einen Besuch dort planst.
Unbedingt mal hin! Im Moment ist nichts geplant, aber ich werde es mir merken 😉