Grüne Felder soweit das Auge reicht. Immer wieder tauchen Farmhäuser mit den typischen Windrädern daneben auf und verschwinden ebenso schnell wieder im Rückspiegel. Gut gelaunt trällere ich lauthals die Musik mit, die aus den Lautsprechern meines Mietwagens tönt. Genau wie es sich für einen Roadtrip gehört.
Am Tag zuvor war plötzlich der Sommer ausgebrochen. Während ich vier Tage vorher noch bei kalten 10 Grad in Chicago ankam, sitze ich nun im Sommerkleid im Auto auf dem Weg nach Champaign. Dieser Ortsname klang wie Musik in meinen Ohren bei der Planung meines Roadtrips durch Illinois.
Kurze Zeit später biege ich in Champaign auf die Main Street ein und finde ohne Probleme sofort einen Parkplatz. Kein Wunder es ist Samstag und Memorial Day Wochenende.
Meine Mission in Champaign? (Also abgesehen davon mit meiner Kamera durch die Kleinstadtstraßen und über den Uni Campus zu bummeln.) Ich will etwas übers Essen lernen! In den vergangen Jahren hatte ich von amerikanischen Freunden immer wieder vom Farm-to-Table Konzept gehört. Es bedeutet, dass ausschließlich nachhaltige, biologische, regionale und saisonale Lebensmittel auf den Teller kommen.
Gerade im mittleren Westen geht Farm-to-Table vor allem im Sommer und Herbst, also zur Erntezeit, auch mit einem durchgestylten Essen in der Scheune der Farm einher. Gesundes und leckeres Essen in einer besonderen Atmosphäre zu zelebrieren, dass liebe ich. Weswegen ich mir ziemlich sicher bin in einem früheren Leben in einer süditalienischen Großfamilie gelebt zu haben. Aber das ist eine andere Story.
Gleich an der Hauptkreuzung, der Main Street steuere ich deshalb auch als erstes das Restaurant Big Grove Tavern an. Es hat sich diesem Konzept verschrieben. Lokales Bioessen, Draft-Biere und hausgemachte Getränke stehen auf der Karte.
Ich habe mittlerweile einen Bärenhunger und bestelle den Bohnenburger mit Süßkartoffelpommes und hauseigenem Eistee. Nicht nur optisch überzeugt mich mein Mittagessen. Auch geschmacklich ist der Burger ein Gedicht, der so rein gar nichts mit Fastfood zu tun hat.
Neugierig mehr über das Farm-to-Table Konzept zu erfahren habe ich einen Besichtigungstermin auf der Prairie Fruit Farm ausserhalb Champaigns.
Farm to Table auf auf der Prairie Fruit Farm
Tapfer trotze ich dem einsetzenden Jetlag und laufe zurück zum Mietwagen. Fünfzehn Auto-Minuten später erreiche ich die Bio-Farm von Wes und Leslie .
Ein grau-weißer Hund mit stahlblauen Augen begrüßt mich freudig. Blue heisst der Hütehund. Kurz darauf taucht Wes auf und begrüßt mich mit einem herzlichen Lächeln und nimmt mich in die große Scheue gleich nebenan mit. Dort steht u.a. ein langer Holztisch an dem wir uns niederlassen. Er erzählt mir von ihren Anfängen auf der Farm und wie sie die Idee des „Farm-to-Table“ Abendessen entwickelten.
Jedes Farm-to-Table Abendessen besteht aus mehreren Gängen. Die Gerichte werden je nach Saison so ausgewählt, dass sie sich aus farmeigenen Anbau wie Gemüse, Obst, Kräutern und Ziegenkäse zusammensetzen. Alle weiteren Zutaten wie Fleisch und Fisch werden von benachbarten Biofarmen aus der Umgebung erworben.
Spannend zu hören fand ich zum Beispiel, das während der einzelnen Gänge die Gäste eine Tour der Farm bekommen. Sie dürfen die Kräuter und Gemüse auch mal anfassen und probieren. Nicht wenige der Gäste kommen so zum ersten Mal wirklich mit der ursprünglichen Form ihrer Lebensmittel in Berührung. An der langen Holztafel in der Scheune treffen laut Wes so auch häufig die unterschiedlichsten Menschen zusammen. So sind die Farm-to-Table Abendessen neben dem Gaumenschmaus auch ein soziales Happening und ein tolle Lehrstunde in Ernährung.
Auch ich werde anschliessend durch den Kräutergarten geführt. Als ich den Rhabarber erkenne und frage wie sie ihn zubereiten, ist er beeindruckt. Ich erzähle ihm von Rhababeersaft und wie beliebt Rhabarberschorle in Berlin ist und er will das ausprobieren.
Das Herzstück der Farm sind die Ziegen und die Käserei. Damals die erste dieser Art in ganz Illinois, betont er mit Stolz. Die Farmer kennen jede ihrer über 70 Ziegen beim Namen. Die Namensgebung jeder neue Zickengeneration steht unter einem Motto. So haben die Ziegen aus dem Frühjahr 2014 Namen von Kräutern wie Salbei, Oregano und Minze. Eine weitere Generation wurde nach James Bond Girls benannt.
Eigentlich sollte ich im Airstream Wohnwagen direkt auf der Farm übernachten. Der Innenausbau wurde aber nicht rechtzeitig fertig. Ich darf das gute Stück zumindest anschauen, bevor es mit Leslie weiter in die Obstgärten geht. Später soll ich die silbern glänzenden Wohnwagen als Foodtrucks in Chicago und Austin noch öfters sehen.
So muss ich unbedingt zurück nach Champaign zurückkommen, die Nacht im Airstream nachzuholen. Zusammen mit einem Platz beim Farm to Table Abendessen in der Scheune versteht sich.
Langsam zieht es mich wieder zurück in die Stadt zu einem Bummel über den Universitätscampus. Ein Blick in den Rückspiegel und hinter mir verschwindet ganz langsam das stählerne Windrad der Prairie Fruit Farm.
Champaign zu Fuss erkunden
Anschliessend erkunde ich zu Fuß, die Gegend rund um die Main Street. Bürgersteige, Cafés und kleine Geschäfte laden zum Schlendern ein. Mein architektonisches Highlight, dass restaurierte Virginia Theatre aus den zwanziger Jahren.
Im angrenzenden Park beobachte ich ein Weilchen die verschiedenen Leute. Da sitzen Studenten im Gras zum Picknick, ein Liebespärchen genießt den sonnigen Frühlingstag und eine Gruppe von Teenagern hängt am Brunnen ab. Fast erliege ich der Versuchung mich ebenfalls ins Gras zu legen und einen kleines Mittagsschläfchen zu halten.
Hinweis: Meine Reise durch Illinois wurde zu Teilen von „Enjoy Illinois“unterstützt. Alle Ansichten sind meine eigenen.
3 Kommentare
So ein hübsches Fleckchen Erde! Das wirkt teilweise richtig vertraut 🙂
Vor allem würde ich gerne einmal in einem der prächtigen Häuser wohnen.
Hach … Da bekommt man ja Reiselust und Appetit zugleich. 🙂 Eine Frage. Werden “Minze”, “Oregano” und ihre Bond-Freunde auch verspeist?
Eine berechtigte Frage, die ich Wes auch gestellt habe. Sie nutzen ausschliesslich die Milcherzeugnisse ihrer Ziegen auf der Farm.